„Oh, das funkt!“ In einem kleinen österreichischen Dorf springt der wortwörtliche Funke der Erkenntnis auf die vierjährige Silvia Müllner über. Als ihr großer Bruder mit Hammer und Stein Funken schlägt, fragt sie sich: „Wo kommt denn plötzlich das Licht her?“ Diese Begeisterung für Naturwissenschaften und das ‚Was passiert da?‘ begleitete sie bis heute. Ein früher familiärer Schicksalsschlag und finanziell schwierige Zeiten vereiteln ihr den direkten Weg hin zum Traumberuf Wissenschaftlerin. Etwas Handfesteres musste her. „Ich entschied mich für ein Kurzstudium in Kanada, um Englisch unterrichten zu können. Die Lehrtätigkeit hat mich schon immer gereizt und Englisch verhieß mir als Sprache der Wissenschaft doch noch meinen Weg gehen zu können“, sagt Silvia Müllner. Darauf folgten sieben Jahre in Chile, in denen die Optik auch als Hobbyastronomin immer eine wichtige Rolle spielte. Mit dem Ersparten ging es zurück nach Europa – in eine nicht zu große Stadt mit Universität mit starker Optik-Forschung: Braunschweig. Mit Licht kann man tatsächlich Dinge bewegen, verändern und faszinierende Experimente machen.
Vom Mut wieder aufzustehen
Allerdings braucht es mit 32 Jahren Mut, um nochmal ein Studium zu beginnen und ein Vielfaches an Motivation, um es abzuschließen. Silvia Müllner zieht es durch: Zuerst ein Bachelor, dann der Master und jetzt steht sie im letzten Drittel Ihrer Promotion. Natürlich geht sie dabei ihren eigenen Weg und das bedeutet, auch eine Familie zu gründen und für ein Kind da zu sein. Ihre Promotion startet sie mit einem Schwerpunkt Materialwissenschaften, wechselt in einen Bereich mit zeitaufgelöster Optik von Halbleitern, um schließlich in einem sehr aktuellen Thema zur Wechselwirkung von Licht mit Molekülen ihre Berufung zu finden. Diese Vielzahl von Methoden und Arbeitsgebieten hilft ihr dabei, Neues zu entdecken und Zusammenhänge zu verstehen.
„Auch wenn es sehr lang und holprig war: Jetzt scheint alles den richtigen Weg zu gehen. Nachdem ich viele Hindernisse überwunden habe, empfinde ich die Freude des Erreichten umso stärker. Wenn etwas im Labor klappt und hell leuchtet, dann werde ich wieder zum Kind, das damals mit großen Augen die Funken des Hammerschlags bestaunte. Dieses möchte ich anderen Studierenden und natürlich auch meinem Kind weitergeben.
"Twisted Light"
Als Doktorandin erforscht Silvia Müllner die sogenannte Chiralität von Licht. Licht hat nicht nur eine Polarisation, sondern als elektromagnetische Welle auch eine Phase. Diese Phase kann abhängig von Ort und Zeit verändert werden und schafft dadurch einen neuen Dreh. Dieses „Twisted Light“ dringt wie eine Spirale in Materie ein und erzeugt besondere Effekte, wenn auch die Materie selber eine Chiralität hat. Dieser Dreh in Licht und Materie ist nicht nur ein physikalisches Thema. Ob Lebenswissenschaften, Informationsübertragung oder Energiematerialien: Sie alle profitieren von dieser Forschung, die so verschiedene Bereiche der Naturwissenschaften verknüpft und neue Möglichkeiten der Analytik eröffnet.
In ihrer ersten Publikation mit internationaler Sichtbarkeit hat Silvia Müllner gezeigt, dass sich chirale Moleküle mit Twisted Light überraschenderweise so verhalten wie Flüssigkeiten ohne Energieverluste. Seitdem arbeitet sie daran, den Effekt immer mehr zu optimieren und anwendbarer zu machen.
Mit ihrer Forschung an den Grundlagen öffnet Silvia Müllner neue Wege für verschiedene Anwendungen. Mikroskope, Nanooptiken und Solarzellen sind auf Licht-Materie-Wechselwirkungen angewiesen und können entsprechend von Verbesserungen profitieren. „Meine Experimente zeigen auch, dass das Drehmoment des Lichts auf Materie übertragen werden kann. Mit diesem gedrehten Licht haben wir somit einen weiteren Freiheitsgrad, um Objekte abhängig von ihrer Chiralität zu bewegen und zu sortieren.“
Um diese Grundlagenforschung weiter voranzutreiben, möchte Silvia Müllner auch gerne nach ihrer Promotion (voraussichtlich im September 2024) in der Forschung bleiben und ihren Traum vom Lernen und Lehren folgen. „Ich möchte meine eigene Faszination weitergeben und mehr Menschen für Physik interessieren.“